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Sicherheit der afghanischen Bevölkerung gehört an die erste Stelle

09. Nov 2009

pax christi weist in einem Offenen Brief an den Verteidigungsminister die Einschätzung zu Guttenbergs zum Luftangriff nahe Kundus zurück

Offener Brief der pax christi-Generalsekretärin, Christine Hoffmann, an Verteidigungsminister zu Guttenberg

Berlin, den 9.11.2009

Sehr geehrter Herr Bundesminister zu Guttenberg,

entschieden weise ich Ihre Einschätzung zum Luftangriff auf aufständische Kämpfer, Zivilisten und zwei Tanklastwagen nahe Kundus in Afghanistan zurück. Die aus dem Geheimbericht der NATO bereits an die Öffentlichkeit gelangten Informationen über sogenannte Verfahrensfehler, Unklarheiten und mögliche Fehleinschätzungen lassen mich befürchten, dass der Tatbestand des Kriegsverbrechens bei diesem Angriff, der womöglich über 140 Menschen das Leben kostete, nicht auszuschließen ist. Ihre Bewertung: “ Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zum Luftangriff kommen müssen.” ist verfrüht und womöglich sogar falsch.

Wenn nicht militärisch, so war der Angriff doch menschlich und friedenspolitisch unangemessen. Es spricht für Sie, wenn Sie als Bundesminister der Verteidigung und Oberster Befehlshaber der Bundeswehr Ihre Fürsorge gegenüber den Soldaten wahrnehmen. Sie sind aber auch den Zielen eines geführten Einsatzes verpflichtet. Mit der Beteiligung am ISAF-Einsatz in Afghanistan soll die Sicherheit der Bevölkerung und die Stabilisierung eines afghanischen Staatswesens gefördert werden. Das Gegenteil ist der Fall. In Afghanistan erhöht sich die Gewalt seit Jahren. Mit dem Luftangriff nahe Kundus hat der deutsche Einsatz statt zum Frieden zu einer Verschärfung der Gewaltspirale in Afghanistan beigetragen.

Für fatal halte ich Ihre Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Rechtssicherheit der im Einsatz befindlichen deutschen Soldaten. Es ist den Streitkräften eines demokratischen Staates unangemessen und schadet dem internationalen Ansehen Deutschlands, wenn der Eindruck entsteht, dass statt der konsequenten Prüfung, ob Fehlhandlungen vorliegen und wie diese gegebenenfalls sanktioniert werden, die Gerichtsbarkeit zum Schutz der Soldaten vor derselben zugeschnitten wird. Das weckt in fataler Weise Erinnerungen und ist kontraproduktiv zu all den Anstrengungen die Gesellschaft und Streitkräfte in den vergangenen Jahrzehnten unternommen haben, um die Bundeswehr durch das Konzept der Inneren Führung einer Demokratie würdig zu machen und von der Wehrmacht abzugrenzen.

Ihre Sorge sollte bei diesem Einsatz vorrangig der Förderung der Rechtssicherheit für die afghanische Bevölkerung sowie den Wiederaufbau und die Entwicklung Afghanistans gelten. Deshalb muss die Spirale der Gewalt gestoppt und der Krieg - in Ihren Worten zumindest die kriegsähnlichen Zustände - beendet werden. Dafür muss eine sinnvolle, kriteriengeleitete Strategie mit konkreten Zielvorgaben für den terminierten Abzug der Truppen entwickelt werden. Ich fordere Sie dringend auf, dazu bereits bei der im Dezember anstehenden Entscheidung über das Mandat der Bundeswehr im Rahmen des ISAF Einsatzes in Afghanistan klare Zielvorgaben zu formulieren.

Mit freundlichen Grüßen

Christine Hoffmann

Generalsekretärin pax christi - deutsche Sektion